Montag, 1. Juli 2013

Komponieren mit Patterns 1 - Komplexität mit minimalen Mitteln

Kurze Tonmotive spielen für mein Komponieren eine zentrale Rolle, hier dazu eine einige Gedanken in Serie.

Anfang der 90er Jahre bekam ich vom Vater meiner damaligen Freundin eine Cassette mit Aufnahmen von Musikern der südafrikanischen Khosa. Ein Track bestand aus einem auf einem Metallgegenstand geschlagenen Rhythmus. Der Klang war rauh, billig, vor meinem inneren Auge handelte es sich um einen Mülltonendeckel - was sicher nicht zutreffend ist. Der Rhythmus bestand aus zwei oder drei verschiedenen Klangfarben, die in einem kurzen Muster ohne Variationen gespielt wurden. Alles in allem also ein sehr überschaubarer Rahmen, nur: ich war nicht in der Lage, den Rhythmus einzuordnen, er entzog sich meinem Fassungsvermögen. Dieses Spannungsverhältnis - hohe Komplexität mit minimalen Ausdrucksmitteln, hat mich fasziniert und begeistert und ist inzwischen zu einem Grundprinzip meiner kompositorischen Herangehensweise geworden. Bei meinen Gitarrenparts bei Stücken von Blotch gibt es einige, die das widerspiegeln, z. B. bei "Rigidur". Neben der erwähnten Xhosa-Aufnahme war hier die brasilianische Berimbau eine Inspiration, ein Instrument mit minimalem Tonumfang, aber vielen Möglichkeiten zur rhythmischen und klangfarblichen Variation.




Das Pattern beginnt 2:19.

Drei Töne reichen für meinen kompletten Gitarrenpart, die meiste Zeit bestreite ich mit Zweien, man könnte auch sagen mit der Variation eines Tones, denn es handelt sich um eine Oktave; die Vielfalt spielt sich im Rhythmischen ab. Bei "Rigidur" spielt dieses Pattern die Rolle einer zweiten Stimme, hinter dem Gitarrenpart von Kollege Michael Hauck. Bevor es in dieses Arrangement eingeflossen ist, hatte ich es mit Musiksoftware als zentrales Motiv arrangiert:




Hier zwei Stücke, bei denen ebenfalls komplexe Zwei-Ton-Patterns das zentrale Motiv bilden. Es handelt sich um in Ableton-live erstellte Skizzen für Bandbesetzung, die aber auch in dieser nackten elektronischen Gestalt ihren kalten Reiz haben:





Neben dem Zwei-Ton-Ansatz für das zentrale Motiv sind noch weitere Aspekte für beide Stücke charakteristisch: keine Variation, ausschließlich Wiederholung sowie ein Minimum an musikalischem Material, also ein, maximal zwei Motive pro Instrument. Beide Aspekte sind meiner Freude an Minimal Music und Techno geschuldet und natürlich dem oben beschriebenen Prinzip der Verbindung von Komplexität und Reduktion. Das variationslose Verweilen bei einem Motiv verweist eher auf die mechanische Ausführung eines Rituals als auf persönlichen Ausdruck. Ein Kreisen, Verharren im Moment, dramaturgisch strukturiert nur durch das Ein- und Aussetzen der Instrumente, bzw. im Fall von Decrele der harmonischen Fortschreitung gegen Ende.

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